Paul Stich und Rihab Toumi fordern eine Neugestaltung des österreichischen Bildungssystems. Sie schlagen praxisorientierte Projektarbeiten als Ersatz für die aktuelle Matura vor, um Schülerinnen und Schüler besser auf die reale Welt vorzubereiten.
„Unser Bildungssystem muss endlich im 21. Jahrhundert ankommen. Dabei besteht auch bei der Matura Handlungsbedarf. Wer mindestens 12 Jahre lang alle Prüfungen bestanden hat, braucht keinen finalen Entscheidungstag. Im Gegenteil, SchülerInnen sollen beweisen können, dass sie das über die Jahre gelernte auch wirklich anwenden können. Wir schlagen vor, die Matura durch praxisorientierte Projektarbeiten zu ersetzen“, so Paul Stich, Vorsitzender der sozialistischen Jugend Österreich und Rihab Toumi, Vorsitzende der sozialistischen Jugend Wien anlässlich eines entsprechenden Antrags auf der Wiener Konferenz der SPÖ Wien, der von den Delegierten angenommen wurde.
„Mangelnder Bezug zur realen Lebenswelt“
Für Toumi steht dabei vor allem der mangelnde Bezug des Schulabschlusses zur realen Lebenswelt im Vordergrund.
Tausende junge Menschen bringen jeden Tag in unseren Schulen großartige Leistungen – unser Schulsystem verhindert jedoch viel zu häufig, dass sie ihre Potenziale und Stärken voll entfalten können. Stattdessen heißt es immer öfter: Auswendig lernen und herunterbeten. Wer wie Bildungsminister Polaschek mit diesem Zustand zufrieden ist, hindert Jugendliche in ihrer Entwicklung. Hier braucht es ein Umdenken. Nur so wäre die Reifeprüfung nicht mehr länger nur ein lästiger Abschlusstest, sondern könnte Jugendlichen tatsächlich etwas fürs Leben mitgeben.
Rihab Toumi, Vorsitzende der sozialistischen Jugend Wien
Forderung nach einer Abschaffung der Matura
Stich verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass jene Beschlusslage keineswegs eine neue innerhalb der SPÖ sei. „Bereits 2021 hat der SPÖ-Bundesparteitag auf Antrag der SJ die Forderung nach einer Abschaffung der Matura in ihrer heutigen Form beschlossen. Das heutige Bekenntnis der Wiener SPÖ zu diesem Beschluss verdeutlicht den Handlungsbedarf in diesem Bereich“, sagt Stich.
„Aktuelle Matura bedeutet großen Druck“
Abschließend betonen Stich und Toumi die Notwendigkeit zu Änderungen, die auch von Lehrkräften unterstrichen wird.
Nicht nur viele SchülerInnen würden ihre Talente gerne stärker entfalten und sehen Alternativen zur Matura. Auch 78 % aller Lehrkräfte fänden es einer AK-Umfrage zufolge sinnvoll, die Gestaltung der Matura zu überdenken. Knapp zwei Drittel aller befragten LehrerInnen stellen zudem fest, dass die aktuelle Matura großen Druck bedeutet. Wer anhand dieser Zahlen die Debatte über eine sinnvolle Neugestaltung des Schulabschlusses aus ideologischen Gründen verweigert, hat vieles im Sinn – aber mit Sicherheit nicht die bestmögliche Schule für junge Menschen in diesem Land.
Stich und Toumi
Stellungnahmen zu den SPÖ-Plänen
Bildungsminister Polaschek erteilt klare Absage
„Leistung ist ein zentraler Wert – nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in unseren Schulen. Wir bereiten in unseren Bildungseinrichtungen die nächste Generation auf das Leben vor und geben ihnen dabei das Rüstzeug mit, um ein erfolgreiches und selbstbestimmtes Leben führen zu können. Leistung ist einer dieser zentralen Werte, auf denen unsere Gesellschaft fußt. Klar ist, dass Leistung auch messbar sein muss. Für mich steht daher außer Frage, dass es auch in Zukunft Schulnoten zur Beurteilung der Leistung von Schülerinnen und Schülern geben wird“, betont Bildungsminister Polaschek.
Die Reifeprüfung ist ein entscheidender Meilenstein für die Schülerinnen und Schüler der Oberstufe. Mit der erfolgreichen Absolvierung dieser haben die jungen Erwachsenen gezeigt, was sie leisten können. Nach diesem zentralen Meilenstein in ihrer Bildungskarriere sind sie „reif“ für den Beruf oder ein weiterführendes Studium. Eine Abschaffung der Matura kommt für mich also nicht infrage.
Bildungsminister Polaschek
Generalsekretär der Volkspartei: „Leistung hat für SPÖ keinen Wert“
„Leistung hat für die SPÖ keinen Wert. […] An der von Bürgermeister Michael Ludwig einberufenen Wiener Konferenz wird die Abschaffung von Schulnoten und der Matura gefordert. Dieser Mini-Parteitag der Wiener SPÖ bedeutet einen massiven Angriff auf unser Bildungssystem, denn die Sozialdemokratie will offenbar, dass unsere Kinder nichts mehr lernen. Auch einer Gleichmacherei aller Schülerinnen und Schüler mit der Gesamtschule erteilen wir als Volkspartei eine klare Absage. Denn klar ist: Wir brauchen kein kommunistisches Bildungssystem in Österreich“, kommentiert der Generalsekretär der Volkspartei, Christian Stocker.
Bildungssprecher der Wiener FPÖ: Eine „gefährliche Drohung“
Als „gefährliche Drohung“ bezeichnet der Bildungssprecher der Wiener FPÖ, Klubobmann Maximilian Krauss, die Forderung der SPÖ nach einer verpflichtenden Gesamtschule ohne Noten sowie der Abschaffung der Matura.
Die SPÖ will offensichtlich eine Schule ohne Leistung und aus Jugendlichen unmündige und bildungsferne Bürger machen, damit sie ihrer dummen Politik auf den Leim gehen. Diesen Wahnsinnigkeiten gehört eine klare Absage erteilt.
Bildungssprecher der Wiener FPÖ, Klubobmann Maximilian Krauss